Werkserien

 

Mit Georg Kreutzer verbindet mich der gemeinsame Beruf des Kunsterziehers, der gemeinsame Studienort, Kassel, die Liebe zur Musik und ein gelegentliches Interesse für die gleichen künstlerischen Motive – wie zum Beispiel für Völklingen.
Als Heranwachsender war ich nie besonders rebellisch, eher ein „einsamer Wolf“, der das häusliche Fernseh-Ritual verweigernd sich stundenlang in Bücher stürzte, oder, wenn die Stubenhockerei allzu nervig wurde, sich auf's Fahrrad schwang, um die umliegenden Ortschaften abzuklappern. Die Ziele bei diesen Fahrten machte ich von meiner jeweiligen Gefühlslage abhängig; und wenn ich mich fast zum Heulen über mein Schicksal melancholisch bis zum Anschlag fühlte, wenn ich diese „Verdrießlichkeit der Freude selbst“, die Heinrich Heine in London empfand, am eigenen Leib spüren wollte, dann fuhr ich nach Völklingen.
Genau dieses Gefühls erinnerte ich mich bei den ersten Blicken auf Georgs Bilder. Für ihn ist Völklingen eine ur-saarländische Ansiedlung, die von ihren Arbeiterfamilien geformt und entwickelt worden ist. Georg nennt Völklingen in Anlehnung an Le Corbusier eine „wunderbare Katastrophe" – eine Ansammlung von Gebäuden, Verkehrswegen, Hinweis- und Reklameschildern und gelegentlichen Überbleibseln von Natur, was alles nicht zusammenpasst – ein Ensemble, das durch ständigen Abbau und Aufbau historisch gewachsen ist.
In einem Wechsel aus Aufbau und Abbau sind auch diese Gemälde entstanden. Georg Kreutzer hat nicht die inzwischen hinlänglich oft fotografierte Völklinger Hütte als Motiv gewählt, sondern bewusst unspektakuläre Ansichten der Stadt. Die Fotos wurden in Ausschnitte zerlegt, die mit einem groben Punktraster auf A4 Papiere ausgedruckt wurden. Dadurch sind die ursprüngliche Feinkörnigkeit und der Detailreichtum der Fotos verloren gegangen. Anschließend wurden die Ausschnitte auf den großen quadratischen Formaten wieder zu den ursprünglichen Bildmotiven zusammengefügt. Die rechteckige Struktur, die durch das Papierformat wie ein netzartiges Raster erscheint, erinnert an die Hausfassaden
der sechziger Jahre aus den „Metzgereifliesen“, die heute noch, meist in etwas desolatem Zustand nicht nur in Völklingen zu sehen sind. Schließlich hat der Künstler die fotografischen Bilder übermalt und dadurch wieder einen architektonischen Zusammenhalt hergestellt.
Dabei liefert die feste Struktur der Kompositionen in Kreutzers Malerei das tragfähige Fundament für das freie Ausleben malerischer Qualitäten, die sich in ihrer Varianz stilistisch nicht festlegen lassen wollen. Georg Kreutzer war bei seiner Malerei bisher nie an einem einheitlichen Stil interessiert. Was ihn vielmehr begeistert, sind Bilderserien, bei denen ein ein Thema, so wie in diesem Fall, in mehreren Ansätzen ausgelotet wird.

Peter Neu